Abbau der Berliner Gaslaternen – Der Stand der Dinge

Die von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Europa Nostra, Gaslicht-Kultur e.V., Denk mal an Berlin e.V. und anderen Kulturorganisationen unterstützte Online-Petition „Gaslicht ist Berlin!“, die sich für ein Abbau-Moratorium ausspricht, läuft nun seit über drei Monaten. Es ist an der Zeit eine Zwischenbilanz zu ziehen und über den aktuellen Stand der Dinge zu berichten.

Zuerst die schlechte Nachricht: Die Senatsverwaltung für Umwelt und Stadtentwicklung  und allen voran die SPD halten trotz der zunehmenden Proteste weiter am flächendeckenden Abbau der fast 44.000 historischen Gaslaternen fest. Seit Anfang dieses Monats  wird zunächst die Reihenleuchte aus den fünziger Jahren durch die Elektroleuchte Jessica ersetzt. Der unter Federführung von Staatssekretär Christian Gaebler (SPD) unter Ausschluss der Öffentlichkeit betriebene Abbau dieses Modells soll bis 2016 abgeschlossen sein. Das Ergebnis lässt sich bereits in der Rheinbabenallee und in der Warnemünder Straße in Schmargendorf besichtigen, die in den letzten Wochen vollständig elektrifiziert wurden. Auffällig ist, dass auf der vom Senat veröffentlichten Abbauliste für dieses Jahr viele der Straßen zu finden sind, die in Denkmalbereichen liegen und/oder von Denkmalschützern und anderen Experten als besonders wertvoll eingestuft werden. Dazu gehören beispielsweise die Windscheidstraße und die Holtzendorffstraße am Amtsgerichtsplatz in Charlottenburg, die Podbielskiallee und die Pacelliallee in Dahlem, die Bismarckallee in Grunewald und der Haselhorster Damm in Spandau.Unklar ist demnach zum Teil auch, in welchen Straßen die 2,5 Prozent der Reihenleuchten, die laut Senat in ihrer originalen Fassung stehen bleiben sollen, beibehalten werden. Ein interessanter Aspekt bei diesen großflächigen Austauschmaßnahmen ist übrigens, dass die existierende Elektrobeleuchtung  im Gegensatz zu den Gaslaternen v.a. in den östlichen Stadtteilen zum Teil äußerst marode ist. Einen Eindruck vermittelt diese Übersicht von Christian Mey: Marode Elektrobeleuchtung Berlin.

Anders als die Medien jüngst zum Teil berichteten (wie die Berliner Woche am 13. Juni) steht keinesfalls fest, dass die anderen historischen Gaslaternenmodelle (Schinkelleuchte, Hängeleuchte, Aufsatzleuchte) größtenteils erhalten bleiben und nach und nach „nur“ auf LED umgerüstet werden. Denn dies ist technisch schwer umsetzbar. Dort, wo LED bereits leuchtet (wie am S-Bahnhof Neukölln), handelt es sich um Nachbauten der historischen Masten, die demontiert wurden. Auf eine mündliche Anfrage des Abgeordneten Uwe Lehmann-Brauns (CDU) am 25. Mai antwortete Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) wortwörtlich: „Die Umrüstung wird auch nicht mittels Peitschenmast erfolgen, sondern entweder bei Beibehaltung der derzeitigen Mastformen oder mit einer umfeldverträglichen Variante, die das bisherige Erscheinungsbild wahrt.“ Aufgrund des finanziellen Aufwandes ist davon auszugehen, dass in den meisten Fällen Standard-Elektroleuchten aufgestellt werden.

Selbst in Denkmalbereichen wie am Chamissoplatz in Kreuzberg, am Richardplatz in Neukölln oder in der  Schlossstraße in Charlottenburg werden nach derzeitigen Plänen offenbar weder zwingend die Gastechnik noch die historischen Laternen selbst erhalten. Laut Müller werde das äußere Erscheinungsbild lediglich „angestrebt“ [s. Drucksache 17/20 111 des Berliner Abgeordnetenhauses, Antwort zu Frage 2, vom 4.6.12].

Angesichts dieser Äußerungen ist ein Abbau auf Raten zu befürchten, weshalb sich inzwischen auch – und nun zu den erfreulichen Nachrichten – zahlreiche Medien dem Abbau kritisch angenommen haben. Neben der Berliner Tagesspresse (u.a. „Das Leuchtenmassaker“ von Nikolaus Bernau in der Berliner Zeitung am 31. März, Jens Jessen in dem Gastbeitrag „Ästhetik geht vor“ am 1. Juni im Tagesspeigel, „Charlottenburg kämpft um seine Gaslaternen“ von Gunnar Schupelius in der BZ am 5. Juni, „Berlin wird wie Düsseldorf“ von Harald Martenstein am 1. Juli) beschäftigte das Thema in den vergangenen Wochen die Presse in der ganzen Republik:

Eindeutig fällt auch das Stimmungsbild in der Berliner Bevölkerung aus. In einer Umfrage in der Berliner Woche antworteten 90 Prozent der Leser auf die Frage, ob die Gaslaternen erhalten bleiben sollen, mit „Ja“.

Die Online-Petition, deren Unterschriften  im September dem Regierenden Bürgermeister überreicht werden, haben bislang über 3.500 Menschen online unterschrieben. Besonders groß ist die Zahl der Unterzeichner auf Papierlisten, die in Geschäften, auf Straßenfesten sowie Wochenmärkten ausliegen. Auf dem Straßenfest in der Leonhardtstraße am 9. Juni unterschrieben an einem Tag 1.000 Menschen. Gleichwohl sind viele weitere Unterschriften nötig. Bis zum  14. September wird es also weiterhin heißen: Gaslicht ist Berlin!

4 Antworten zu “Abbau der Berliner Gaslaternen – Der Stand der Dinge

  1. Der Autor des Artikels „Das Leuchtenmassaker“ heißt Nikolaus Bernau, nicht Berlin. Beste Grüße …

  2. Pingback: Einwohnerversammlung zur Zukunft des Gaslichts in Charlottenburg-Wilmersdorf | Stadt.Bild.Berlin

  3. Sehr schöner Artikel.

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